Zahlen okay, bis auf ein paar Gewitterwolken im Vertrieb

08 Jul 2013

Zahlen okay, bis auf ein paar Gewitterwolken im Vertrieb

Einst Herr der Zahlen, heute Kopilot des Vorstandsvorsitzenden. So hat sich die Rolle des Finanzvorstands in den vergangenen Jahren geändert. Die globale Präsenz der Konzerne, die verschärfte Regulierung und das anhaltende Krisenumfeld sind die Auslöser für diesen Rollenwechsel. Zwar bleibt der CFO meist der Mann im Hintergrund. Doch muss er den Spagat schaffen: Einerseits soll er die Risiken im Griff haben, andererseits operative Neuerungen vorantreiben, die sein Risikomanagement auf die Probe stellen können. Ein Kurzprofil, welche Fähigkeiten und Erfahrungen ein moderner CFO heute mitbringen muss.

Global, transparent und flexibel – drei wichtige Eigenschaften, die heute den Erfolg eines Unternehmens ausmachen. Drei wichtige Eigenschaften, die von dem Führungsteam aus Finanzvorstand (CFO) und Vorstandsvorsitzendem (CEO) täglich gelebt werden müssen. Vor allem der CFO spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Sein Jobprofil wird deswegen zunehmend anspruchsvoller: Er ist nicht mehr der Herr der Zahlen, sondern der Kopilot. Er muss beides können: über Risiken wachen und die erfolgreiche Weiterentwicklung des Unternehmens vorantreiben.

Dabei darf er den Überblick nicht verlieren, obwohl die Welt um ihn und das Unternehmen herum immer komplexer und kleinteiliger wird.

Diese Doppelrolle verlangt nach einem neuen Typ von CFO. Sie kann ihn zeitweise in Interessenkonflikte bringen, die er für sich lösen muss. Er muss vermitteln zwischen dem CFO als Unternehmer und dem CFO als Wächter. Er muss ergebnisoffen abwägen, ob und wie stark eine operative Neuerung den finanziellen Frieden seines Unternehmens gefährden kann. Gelingt ihm das, steigen seine Chancen, zum CEO gekürt zu werden. Prominente Beispiele belegen dies: So wird Timotheus Höttges spätestens zum Jahresende René Obermann an der Spitze der Deutschen Telekom ablösen. Bei der BASF vollzog Kurt Bock 2011 diesen Wechsel und übernahm den Vorstandsvorsitz von Jürgen Hambrecht. Der CFO ist jedoch nicht automatisch der Kronprinz. Er muss sich im Wettbewerb um die CEO-Nachfolge genauso beweisen, wie andere auch – wenn er dies denn will.

„Früher waren die Bilanzkennzahlen nur ein Mittel zum Zweck. Mittlerweile sind sie zu einem wichtigen Führungselement geworden – nicht zuletzt, weil die Reaktionszeiten deutlich kürzer geworden sind“, sagt Klaus Hansen, Managing Partner von Odgers Berndtson Deutschland und Mitglied der Industry Practice Industrial. „Vergingen früher eineinhalb Monate, bis der Monatsabschluss vorlag, hat man die Zahlen heute schon fünf Tage nach Monatsende.“ Einen kompetenten CFO zeichne aus, dass er die Zahlen als Frühwarnsystem nutze. „Der Chief Financial Officer kann so strategische Impulse setzen, weil er als Erster erkennt, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Er meldet das Problem nicht nur, sondern macht im selben Atemzug einen Vorschlag zur Problembeseitigung.“

Damit nimmt der CFO mittlerweile eine Schlüsselposition neben dem CEO ein. Im Idealfall spielen in der täglichen Zusammenarbeit Hierarchien keine Rolle mehr. Es ist mehr ein partnerschaftliches Miteinander, bei dem die Rollenverteilung klar ist. Der CEO ist der Frontmann, der das Unternehmen lenkt und repräsentiert. Er trifft die Top-Personalentscheidungen. Er bekommt vom CFO Impulse, die er in konkrete Handlungen zur Steuerung des Unternehmens umsetzt. Der Finanzvorstand bleibt eher „backstage“ und tritt nur dann ins Rampenlicht, wenn er Investoren Rede und Antwort stehen muss.

Auf Augenhöhe im Tagesgeschäft heißt jedoch nicht auf Augenhöhe bei der Vergütung. „Der CEO wird immer der Top-Verdiener sein“, sagt Odgers Berndtson-Geschäftsführer Hansen. „Allerdings wird der CFO mehr am Unternehmenserfolg beteiligt. Seine Vergütung schwankt deutlich stärker als früher, weil er mit seinem erfolgsabhängigen Gehalt die Grenzbereiche nach oben und unten auslotet. Früher war der CFO derjenige im Vorstand, dessen Gehalt den kleinsten variablen Anteil hatte.“

Schafft ein Finanzvorstand den Sprung an die Konzern spitze, wartet der nächste Persönlichkeitstest auf ihn. In den Augen des Vorstandschefs sind angebotene Produkte und Serviceleistungen mehr als nur etwas, was Kosten verursacht und einen adäquaten Preis erzielen muss. Mit dem Wechsel seiner Schreibtische muss sich der Ex-CFO auch eine andere Brille aufziehen: die emotionale statt der rationalen. Gelingt ihm das nicht, gilt er schnell als Technokrat, für den Leidenschaft ein Fremdwort ist.

 

positionen: Herr Baumann, Sie sind seit mehreren Jahren als Finanzvorstand in einem deutschen DAX-Konzern tätig. Inwiefern hat sich die Rolle eines CFO Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren verändert?

Werner Baumann: Die Rolle des CFO ist unternehmerischer geworden und damit insgesamt breiter angelegt als in der Vergangenheit. Das liegt einerseits an der sehr viel globaleren Ausrichtung des Finanzbereichs. Die traditionelle, mit Richtlinienkompetenz ausgestattete Zentralabteilung ist international vernetzten Einheiten gewichen, welche meist mit direkter Verantwortung für die Umsetzung globaler Strategien und Projekte geführt werden. Andererseits haben sich die fachlichen Schwerpunkte eines CFO erweitert. Ich führe beispielsweise die klassischen CFO-Ressorts Finanzen, Rechnungswesen & Controlling und Steuern, M&A, aber darüber hinaus auch die Bereiche Recht, Patente & Compliance, die Regionale Koordinierung sowie IT/Bayer Business Services. Außerdem ist es mein Anspruch, in einer strategischen Management-Holding wie der Bayer AG auch zu Fragen der Geschäftssteuerung, Strategie und Organisation Beiträge zu leisten.

 

positionen: Muss ein CFO heute anders kommunizieren als früher?

Werner Baumann: Die kommunikativen Aufgaben eines CFO sind in den letzten Jahren deutlich anspruchsvoller geworden. Eine auf den Adressatenkreis zugeschnittene, klare und glaubwürdige Kommunikation ist heute wichtiger denn je. Auch wenn die Themen oftmals ähnlich sind, frage ich mich immer, in welcher Tiefe und in welchem Format ich meine Inhalte dem jeweiligen Publikum am besten nahebringen kann. Bei IR-Konferenzen und in Fachgremien spreche ich eher in einem sachlichen, faktenorientierten Umfeld. In der unternehmensinternen Kommunikation stehen dagegen auch „softe“ Themen wie Führung und Motivation sowie die persönliche Ansprache der Mitarbeiter im Vordergrund.

 

positionen: Was sind die Erfolgsfaktoren für eine gute Zusammenarbeit mit dem CEO?

Werner Baumann: „Die Chemie“ zwischen CEO und CFO muss für eine vertrauensvolle und produktive Zusammenarbeit stimmen. Darüber hinaus sollten die Stärken des CFO die des CEO ergänzen. Ein guter CFO muss geschätzter Gesprächspartner und Berater des CEO im Bereich der generellen Unternehmensführung und -entwicklung sein. Dabei sollte er die Risikoposition des Unternehmens stets im Blick haben und auch „Nein“ sagen können. Transparenz und absolute Verlässlichkeit sind weitere Grundvoraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit.

 

positionen: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, denen sich ein CFO in Zukunft stellen muss?

Werner Baumann: Auf Bayer und damit auf meine Rolle bezogen liegen die Herausforderungen in der rasanten Veränderung der Funktions- und Servicebereiche. Kostendruck und die fortschreitende internationale Arbeitsteilung erfordern teils radikale Veränderungen, etwa im Rechnungswesen oder auch im IT-Bereich. Die betroffenen Mitarbeiter müssen vielfach weiterqualifiziert werden, um nach Verlust der bisherigen Tätigkeit neue Aufgaben übernehmen zu können. Eine große Herausforderung für alle Unternehmen ist darüber hinaus die zunehmende Regulierung. Die Intensivierung des Dialogs mit politischen Entscheidungsträgern ist daher dringend erforderlich, um notwendige Vorhaben zu unterstützen und aktiv mitzugestalten, aber auch kurzsichtige standort- und wettbewerbsschädliche Initiativen abzuwenden. Dies muss für den CFO mehr zur Chefsache werden, sei es im direkten Kontakt oder über breitere Interessenvertretungen.

 

positionen: Was reizt Sie persönlich an der Aufgabe des CFO?

Werner Baumann: Es ist ein Privileg, in einer solch verantwortungsvollen Position im Unternehmen arbeiten und gestalten zu dürfen. Wie in vielen anderen Rollen ist die Arbeitsbelastung hoch und es bleibt zu wenig Zeit für Familie und Privates – aber dennoch ist die CFO-Rolle ein Traumjob! Die Aufgabe ist abwechslungsreich und breit angelegt, sie bietet mir darüber hinaus Raum, meine eigenen Entwicklungsfelder zu adressieren und mich weiterzuentwickeln.

 

positionen: Herr Baumann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Der Artikel herunterladen 

Das gesamte Magazin herunterladen

Sie können ein gedrucktes Exemplar anfordern unter presse@odgersberndtson.de



Werner Baumann ist seit 2010 Mitglied des Vorstands der Bayer AG. Er ist verantwortlich für Finanzen und außerdem zuständig für die Region Europa.


Klaus Hansen ist Managing Partner bei Odgers Berndtson. Er leitet die Industry Practice Energy/Utilities und ist Mitglied in der Industry Practice Industrial. Hansen besetzt Geschäftsführer-, Vorstands- und Aufsichtsratspositionen in der Ver- und Entsorgungswirtschaft, der Logistik sowie im Maschinen- und Anlagenbau.