
17 Sep 2014
Vom Administrator zum Integrator
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Er hat den Überblick über das gesamte Unternehmen und kennt doch jedes Detail. Er ist Manager und Technikexperte zugleich. Er kann nur im Team erfolgreich sein und ist auf einen regelmäßigen Austausch mit allen Abteilungen im Unternehmen angewiesen. Er muss intern stark, aber auch nach außen präsent sein im Gespräch mit Kunden, Branchenkollegen und Dienstleistern. Kurzum: Den Chief Information Officer (CIO) zeichnen tief greifende Kenntnisse der Geschäftsprozesse, ein besonderes unternehmerisches Gespür und eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit aus. Ein kurzer Überblick über die Anforderungen, die der CIO von heute erfüllen muss.
Von Ina Lockhart
Die digitale Revolution hat das Anforderungsprofil eines CIOs radikal verändert. Information Technology (IT) ist nicht mehr wie früher nur dazu da, das Rechenzentrum am Laufen zu halten, Geschäftsprozesse zu unterstützen und deren Automatisierung voranzutreiben. IT ist mittlerweile Kern der Unternehmung. Auch der CIO hat damit an Wert gewonnen: „Durch die vollständige IT-Integration entlang der Wertschöpfungskette hat sich der CIO zur einzigen Instanz im Unternehmen entwickelt, die weiß, wie das Unternehmen von einem Ende bis zum anderen funktioniert“, sagt Katja Hartert, Partner bei Odgers Berndtson. Deswegen ist für sie „Integrator“ der Begriff, der die vielschichtige Rolle eines CIOs am besten beschreibt. Der Integrator weiß auch, was technologische Veränderungen das Unternehmen kosten. Eine neue Schlüsselkompetenz, die seine Rolle stärkt. Der CIO ist derjenige, der Veränderungen im Unternehmen in Euro und Cent quantifizieren, IT-Investitionen budgetieren und deren finanzielle Implikationen rechtfertigen kann. Eine Fähigkeit, die in Zeiten, in denen zunehmend mehr IT ins Produkt eingeht, immer wertvoller wird.
Darüber hinaus kümmert sich der CIO viel stärker als bisher um die Bedürfnisse des Endnutzers, wobei der Begriff nicht mit Verbraucher gleichzusetzen ist. B2B-Nutzer wie die Geschäftspartner sowie Mitarbeiter spielen dabei genauso eine Rolle. „Es findet keine Produktentwicklung mehr statt, an der die IT nicht maßgeblich beteiligt ist“, sagt Klaus Bremges, CIO von Portigon, des Nachfolgers der WestLB, im Gespräch mit dem Magazin „CIO“. Der CIO von heute muss drei Bereiche im Griff haben – Menschen, Prozesse und Technologie – und muss deren Schnittstellen intelligent managen. Dabei verknüpft er die unterschiedlichen IT-Fäden zu einem funktionsfähigen und belastbaren Netz.
Deswegen kommt nach Aussagen von Katja Hartert ein CIO fast immer aus dem Bereich Prozess- bzw. Applikationsmanagement. „Denn das ist wesentlicher als das reine Managen der technischen Infrastruktur“, sagt die Personalberaterin, die seit 2000 erfolgreich CIO-Kandidaten sucht und platziert. „IT-Architekten und Geschäftsprozessspezialisten sind gefragt. Die Unternehmen brauchen CIOs, die sich deutlich mehr auf Informationsmanagement fokussieren als auf das Management des IT-Betriebs.“
„Big Data“ hat den CIO zum „Kundenversteher“ gemacht. Da er und sein Team diese Daten- und Informationsflüsse aus den verschiedensten Kanälen wie Client Relationship Management-Systemen, aber auch sozialen Medien und anderen Big Data-Auswertungssystemen für das Gesamtunternehmen ordnen und nutzbar machen, haben er und seine Kollegen tiefen Einblick in die Kundenprofile und Märkte. So bringt die digitale Revolution zwei bislang sehr konträre Unternehmenswelten zusammen: ITler und Vertriebler haben deutlich mehr Berührungspunkte als früher. Der CIO verbringt heute mehr Zeit mit Kollegen aus Geschäftsbereichen, mit denen er bislang nur selten oder gar nicht in Berührung kam.
Gleichzeitig geht der CIO mehr nach außen. Er muss sich mit Zulieferern und Kunden austauschen – nicht zuletzt, weil der Trend zum Outsourcing eine disziplinierte Prozess- und Qualitätskontrolle verlangt. Er kann zudem nur erfolgreich sein, wenn er wichtige Aufgaben in seinem Team delegieren kann. Und wenn er dabei die persönliche Größe und den Mut hat, für sein Team Mitarbeiter anzuheuern, die in einzelnen Bereichen besser als er selbst sind. „Ein CIO kann nicht als Einzelkämpfer erfolgreich sein, sondern er vertritt die Leistung eines Teams“, sagt Beraterin Hartert.
Bei aller Kunden- und Produktorientierung muss ein CIO aber auch die Sicherheit seines Unternehmens im Blick haben. Ein Ziel, das nicht erst seit der NSA-Affäre zu einem wichtigen Thema geworden ist. Er muss gerade angesichts des Erfolgs mobiler Anwendungen und des Cloud- Computings einen Mittelweg finden zwischen dem Primat der Benutzerfreundlichkeit und dem strategisch wichtigen Ziel der Sicherheit von persönlichen Daten und betrieblichen Informationen. Eine knifflige Aufgabe, die ein Unternehmen nur mit einer Sicherheitsarchitektur lösen kann, in der es Einzelbereiche differenziert betrachtet. Weniger Abschotten, aber gleichzeitig mehr Datensicherheit. Eine Gratwanderung, die Sicherheitsexperten zufolge auf der CIO-Agenda deutlich weiter oben stehen sollte als bislang.
Mit Guus Dekkers spricht Katja Hartert
positionen: Herr Dekkers, Sie sind seit fast zehn Jahren als CIO tätig. In dieser Zeit hat sich die Rolle des CIOs stark gewandelt. Wann war Ihre persönliche Lernkurve am steilsten?
Guus Dekkers: Immer dann, wenn das Unternehmen eine starke Wandlung durchgemacht hat. Ein gutes Beispiel war die Integration von Siemens VDO in die Automotive Division der Continental AG, welche gleichzeitig ein Carveout der Firma aus dem Siemens Konzern war und die Integration zweier Firmen mit ganz unterschiedlichen Kulturen erforderte. Neben den notwendigen fachlichen Kompetenzen war hier ein geschicktes soziales und strategisches Taktieren gefragt, um die vorhandenen doppelten Strukturen und IT-Landschaften schnellstmöglich in ein vollständig integriertes Gebilde zu transformieren. Letztendlich hing – wie bei so vielen M&A-Aktivitäten – der Erfolg des Business Case entscheidend davon ab, ob dies kurzfristig gelingen würde und wir schnellstmöglich als ein wirklich integriertes Unternehmen agieren könnten. Als CIO hat man dazu einen erheblichen Teil beizutragen – unter erhöhtem Kosten- und vor allem Zeitdruck.
positionen: Entspricht die interne Position eines CIOs der wachsenden Bedeutung, die er strategisch und operativ hat?
Guus Dekkers: Ich denke, es ist unstrittig, dass unsere Abhängigkeit von der IT kontinuierlich wächst. Gleichzeitig ist es jedoch meine Erfahrung, dass sich viele Executives mit dem Thema schwertun, insbesondere in der Frage, wie die IT gezielt eingesetzt werden kann, um Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Idealerweise positioniert sich der CIO hier als „Person of Trust“, die über die operationelle IT-Verantwortung hinaus gemeinsam mit ihren Kollegen die richtige Strategie angeht: die Optimierung sämtlicher Unternehmensprozesse und – immer weiter zunehmend – kreative Nutzung der IT zur Produkt-/Service-Differenzierung.
positionen: Was zeichnet einen erfolgreichen CIO aus?
Guus Dekkers: Aus meiner Sicht entspricht das Idealprofil dem eines Brückenbauers zwischen der hochtechnischen IT-Welt und der Anwendungswelt. Er übersetzt in beide Richtungen und lotet ideal die Möglichkeiten aus, IT zur Umsetzung der Unternehmensziele einzusetzen. Natürlich sucht man dabei nach den üblichen Soft Skills, aber ich würde vor allem auch den technischen Background und die entsprechenden Fähigkeiten nicht unterschätzen: Ein erfolgreicher CIO muss sattelfest auf sämtlichen IT-Hypes surfen können, seine Zulieferer inhaltlich beurteilen und steuern sowie als Vorreiter für sein Team fungieren können.
positionen: IT-Sicherheit einerseits, unternehmensübergreifende Vernetzung in der Wertschöpfungskette andererseits. Wie kann ein CIO diese Gratwanderung erfolgreich für sein Unternehmen meistern?
Guus Dekkers: Das wird ein immer größeres Problem. Unsere Gesellschaft fördert eine Kultur von „always on, always connected, always informed“, und unsere Bereitschaft, hier Kompromisse einzugehen, ist eher gering. Die Idealerwartung vieler Firmen ist daher, dass der CIO gemeinsam mit den Sicherheitsbeauftragten die Firmeninterna schützt – ohne sichtbaren Impact für die User. Das funktioniert natürlich nicht. Eine Verankerung des Themas „Sicherheit“ in der Unternehmenskultur ist daher unerlässlich. Auch wenn der Fall „Snowden“ hier sicherlich mitgeholfen hat, bedeutet dies nach wie vor viel Überzeugungsarbeit. So ist in der Airbus-Gruppe das Thema „Cybersicherheit“ dieses Jahr eines der Top-8-Unternehmensziele.
positionen: Was schätzen Sie persönlich als größte Herausforderung ein, der sich CIOs in Zukunft stellen müssen?
Guus Dekkers: Alle paar Jahre gibt es in der IT eine disruptive Innovation, die das Wettbewerbsverhältnis der vorhandenen Player nachhaltig durcheinanderwirbelt. Gute Beispiele sind Internet/ Big Data (Google), Tablets (Apple) oder zurzeit Wearable Technologies. Diese disruptiven Innovationen rechtzeitig zu erkennen, seine Firma von der Notwendigkeit, hier zu investieren, zu überzeugen und anschließend auch zu liefern – das ist und bleibt aus meiner Sicht die größte Herausforderung eines jeden CIOs. Insbesondere auch deshalb, weil ein Verpassen derartiger Trends mittelfristig zu einer Katastrophe für dessen Firma führen kann. Meine derzeitigen persönlichen Tipps neben Wearable Technologies: Industrie 4.0 und Cyber.
positionen: Herr Dekkers, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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