„Unternehmenskultur ist der Hebel“

05 Jul 2013

„Unternehmenskultur ist der Hebel“

Seit Oktober 2011 leitet Kathrin Menges das Personalressort von Henkel auf Vorstandsebene. Für rund 47.000 Mitarbeiter ist die ausgebildete Lehrerin, die 1999 bei dem Konsumgüterhersteller eintrat, verantwortlich. Wie Henkel-Chef Kasper Rorsted ist Menges kein Befürworter einer starren Frauenquote. Sie steht für eine frühe und gezielte Förderung von Mitarbeitern. Bei Karrierehemmnissen wie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzt Menges auf eine Unternehmenskultur, die Freiräume und Flexibilität zulässt. Ein Fallbeispiel eines Konzerns, der Frauen seit vielen Jahren systematisch fördert und einen Frauenanteil von 30 Prozent in Führungspositionen vorweisen kann. 

Mit Kathrin Menges sprach Claudia Scheuvens.

 

positionen: Frau Menges, Henkel hat mit rund 30 Prozent den höchsten Anteil von Frauen in Führungspositionen unter den DAX-Unternehmen. Wie kommt das?


Kathrin Menges: Das Thema Frauenförderung steht bei uns bereits seit vielen Jahren ganz oben auf der Agenda. Wir haben seit sechs Jahren ein globales Diversity Management, das die Durchmischung unserer Teams weltweit strategisch steuert und vorantreibt. Dabei verstehen wir unter Diversity nicht nur Vielfalt in Bezug auf das Geschlecht, sondern auch hinsichtlich der Internationalität und der Erfahrung unserer Führungskräfte.

 

positionen: Frauen sind also nur eines von vielen Themen bei Henkel?


Kathrin Menges: Henkel ist ein globales Unternehmen. Uns kommt es sehr darauf an, die Vielfalt unserer Standorte sowie die Kulturen und Wirtschaftsräume, in denen wir agieren, auch in unseren Führungsteams abzubilden. Insofern sind alle Aspekte von Diversity für uns im Fokus. Dem Thema Gender Diversity haben wir nicht zuletzt wegen der öffentlichen Diskussionen in den letzten Monaten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Allerdings gehen wir diese Herausforderung bereits seit Langem systematisch an. Seit 2004 konnten wir den Anteil von Frauen in Führungspositionen um jährlich etwa einen Prozentpunkt verbessern. Voraussetzung für diese positive Entwicklung ist vor allem, dass wir ein uneingeschränktes Commitment unseres Topmanagements haben.

positionen: Da kommt Ihnen sicherlich auch zugute, dass Sie mit Simone Bagel-Trah die bisher einzige Frau unter den Chefkontrolleuren in DAX-Unternehmen haben. Kommen Sie dabei ganz ohne interne Quote aus?


Kathrin Menges: Ja, wir glauben nicht, dass eine starre betriebliche Quote der richtige Weg ist. Wir sind davon überzeugt, dass ein Quantitatives Kriterium allein nicht das geeignete Mittel ist, um mehr Frauen in Top-Positionen zu bringen. Bei externen Rekrutierungen achten wir allerdings darauf, dass unter den finalen Kandidaten auch eine Frau ist. Ansonsten konzentrieren wir uns vor allem auf vielfältige Maßnahmen, um den Frauenanteil zu erhöhen, und bieten entsprechende Rahmenbedingungen und Unterstützungsleistungen an.

 

positionen: Wie sehen diese Maßnahmen aus?


Kathrin Menges: Wir haben seit vielen Jahren eine sehr erfolgreiche, systematische Karriereplanung. Diese ist jedoch nicht speziell auf Frauen zugeschnitten, sondern unterstützt talentierte Männer und Frauen gleichermaßen. Auslandseinsätze, regelmäßige Feedback-Gespräche, gezielte Förderung durch Mentoren – das alles ist für männliche wie weibliche Führungskräfte derselbe Prozess. Darüber hinaus bieten wir zahlreiche konkrete Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an – von betrieblichen Kinderbetreuungsplätzen bis zu flexiblen Arbeitszeitmodellen. Für mich ist aber auch die Führungs- und Unternehmenskultur ein entscheidender Hebel.

 

positionen: Frauenspezifische Förderungen gibt es bei Henkel demnach nicht?


Kathrin Menges: Nach unseren Erfahrungen sind die Frauen daran gar nicht so sehr interessiert. Sie wollen vielmehr nach ihrer Leistung beurteilt und befördert werden und nicht nach ihrem Geschlecht. Was wir in der Karriereplanung von Frauen besonders berücksichtigen, sind allerdings zeitliche Aspekte. Zum Beispiel achten wir darauf, dass wir talentierte Frauen schon etwas früher ins Ausland schicken, damit diese vor dem Beginn ihrer Familienplanung internationale Erfahrungen sammeln können. Das und unser sehr fairer und transparenter Talent Management-Prozess haben sich gut bewährt.

positionen: Werden Ihre Förderprogramme von männlichen und weiblichen Managern gleichermaßen genutzt?


Kathrin Menges: Unser Angebot richtet sich an alle Talente bei Henkel. Frauen nutzen Mentoren vielleicht etwas stärker als Männer.

 

positionen: Rekrutieren Sie Frauen für höhere Führungsebenen auch gezielt von außen?


Kathrin Menges: Wir rekrutieren relativ selten extern. Bei uns gilt der Grundsatz der internen Personalentwicklung, das heißt, dass wir nach Möglichkeit unsere eigenen Talente für Top-Positionen entwickeln. Wenn wir für die eine oder andere Position extern suchen, dann sollte, wie schon erläutert, einer der finalen Kandidaten weiblich sein. Am Ende wird aber immer der am besten geeignete Kandidat eingestellt – unabhängig von Geschlecht, Nationalität oder Alter.

 

positionen: Frau Menges, Sie sind im Oktober letzten Jahres in den Vorstand von Henkel aufgerückt. Vorher waren Sie in leitenden HR-Positionen bei Henkel und anderen Unternehmen tätig. Sie sind also selbst ein sogenanntes Role Model. Hilft Ihnen diese Erfahrung, das Thema in Ihrem Unternehmen voranzutreiben?


Kathrin Menges: Grundsätzlich ja. Gerade im Personalbereich gibt es sehr viele weibliche Führungskräfte. Und natürlich steigen in der Regel mehr Frauen in Top-Positionen auf, wenn es genügend Managerinnen in die Ebenen darunter schaffen. Doch das allein ist nicht ausschlaggebend für weibliche Top-Karrieren. Ich bin jetzt seit über 20 Jahren im Personalbereich tätig. Als ich anfing, standen bei den meisten Firmen Männer an der Spitze dieser Bereiche – obwohl es auch damals schon in den Einstiegspositionen deutlich mehr Frauen als Männer gab. Daher muss man die Frauen auch auf ihrem Weg nach oben unterstützen, damit sie auf dem Top Level ankommen.

 

positionen: Wer oder was hat Ihnen bei Ihrer eigenen Karriere geholfen?


Kathrin Menges: Ich hatte viele Unterstützer im Laufe meines Berufslebens, allen voran meine Vorgesetzten. Es ist sehr wichtig, sich ein Netzwerk aufzubauen – gerade für Frauen. Aber auch meine Familie gibt mir viel Rückhalt für meine berufliche Entwicklung.

 

positionen: Was sind für Frauen die wesentlichen Erfolgsfaktoren auf dem Weg nach oben?


Kathrin Menges: Menschen – ob Frau oder Mann – haben es vor allem selbst in der Hand, wie sich ihre Karriere entwickelt. Und dazu gehört zuallererst die Leistung. Keine Firma wird eine Frau in eine Top-Position befördern, die vorher keine außerordentliche Leistung gezeigt hat. Karriere ist nichts, was durch Zufall passiert. Genauso wie ihre männlichen Kollegen müssen Frauen ihre beruflichen Ziele konsequent und engagiert verfolgen.

positionen: Achten Sie bei der Rekrutierung Ihrer Nachwuchskräfte auf ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern?


Kathrin Menges: Wenn wir uns in einem Markt bewegen, in dem die Bewerber etwa hälftig verteilt sind, versuchen wir, auch im gleichen Verhältnis einzustellen. Natürlich sind Frauen in einigen Studiengängen unterdurchschnittlich, in anderen überdurchschnittlich vertreten. Insgesamt achten wir darauf, dass wir mindestens so viele weibliche Absolventen einstellen wie männliche.

 

positionen: Bei den technischen und ingenieurwissenschaflichen Berufen, auch als MINT-Berufe bezeichnet, wird das ja nicht ganz leicht sein. Hier ist der Männeranteil doch erheblich höher.


Kathrin Menges: Der ist höher, aber gar nicht so viel höher, wie man denkt. Man muss aufpassen, dass die verbreitete Annahme, in technischen Bereichen gäbe es zu wenig Frauen, nicht zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Stattdessen sollte man die Zahl der Absolventen und Bewerber aus den MINT-Studiengängen regelmäßig überprüfen. Und es zeigt sich eindeutig, dass der Anteil der weiblichen Kandidaten ansteigt.

 

positionen: Wie sorgen Sie für den absehbaren Führungskräftemangel vor?


Kathrin Menges: Wir haben, um nur ein Beispiel zu nennen, vor einigen Jahren ein duales Ausbildungsprogramm ins Leben gerufen. Darin geben wir talentierten jungen Menschen die Möglichkeit, ihren Beruf hier im Unternehmen zu erlernen. Unser Angebot deckt vor allem naturwissenschaftliche und technische Bereiche ab, wie IT, Chemie oder Verfahrenstechnik. Gleichzeitig können die Auszubildenden ein Bachelor-Studium absolvieren, sodass sie am Ende dieser dualen Ausbildung einen akademischen Abschluss in der Tasche haben.

 

positionen: Hilft Ihnen das, um Ihre zukünftige Führungskräftelücke zu schließen?


Kathrin Menges: Bei diesem konkreten Beispiel machen wir in der Tat sehr gute Erfahrungen. Aufgrund der Tatsache, dass die jungen Kollegen während ihres Studiums eng in die Praxis von Henkel eingebunden sind, identifizieren sie sich sehr stark mit unserem Unternehmen. Bisher konnten wir auch alle Absolventen fest übernehmen. Wir sind mit diesem Programm jetzt in der vierten Runde, es handelt sich also um ein bereits etabliertes Format, das wir durch Einbeziehung weiterer Studiengänge beliebig ausweiten können. Wir können damit quasi selbst für die Anzahl von Fach- und Führungskräften sorgen, die wir zukünftig brauchen. Das verstehen wir bei Henkel unter vorausschauender Personalpolitik.

positionen: Zu einer vorausschauenden Personalpolitik gehört auch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dass dies der Schlüsselfaktor für mehr Frauen in Führungspositionen ist, zeigen auch die Ergebnisse aus unserer Studie. Wie gehen Sie bei Henkel mit dem Thema um?


Kathrin Menges: Wie gesagt, ein wichtiger Hebel ist für mich die Unternehmenskultur. Wir wollen noch mehr zeitliche Flexibilität für Mütter, aber auch für Väter in Führungspositionen. Wir diskutieren beispielsweise gerade intensiv das Thema „Präsenzkultur“. Managerinnen mit Kindern werden häufig deshalb daran gehindert, ihren Job weiterhin in Vollzeit auszuüben, weil in vielen Firmen unternehmerische Abläufe etabliert sind, die es ihnen praktisch unmöglich machen, ihren familiären Aufgaben gerecht zu werden. Damit meine ich zum Beispiel Arbeitstage mit Präsenzpflicht von morgens 8 bis abends 8 Uhr oder Meetings, die erst nach 18 Uhr beginnen – mit Open End. Das macht kein Kindergarten mit.

 

positionen: Planen Sie Richtlinien für den Umgang mit Meetings oder auch mit E-Mails am Wochenende, wie die Deutsche Telekom sie für ihre Mitarbeiter kürzlich eingeführt hat?


Kathrin Menges: Solche festgeschriebenen Richtlinien haben wir bisher nicht etabliert. Ich möchte es auch nicht unbedingt aufschreiben müssen, sondern dafür sorgen, dass diese Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort flächendeckend im Unternehmen gelebt wird. Und da gibt es bereits viele gute Beispiele. Gerade letzte Woche sagte mir eine Kollegin beim Mittagessen, dass ihr Vorgesetzter für familiäre Verpflichtungen viel Flexibilität einräume – mal einen Tag von zu Hause aus zu arbeiten oder mal einen Nachmittag nicht im Office zu sein. Das ist genau der richtige Weg. Unsere Mitarbeiter sollen wissen, dass sie nach ihren Ergebnissen bewertet werden und nicht nach ihrer Anwesenheit im Unternehmen.

 

positionen: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist also vor allem eine Frage der Unternehmenskultur. Was können Unternehmen noch tun, um den Frauenanteil in ihren Führungspositionen zu erhöhen?


Kathrin Menges: Echte Chancengleichheit ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren. Generell müssen Unternehmen mehr talentierte Frauen in „Leuchtturmpositionen“ befördern. Beispielsweise in eine General Management-Position für ein Land oder einen Unternehmensbereich, der bisher eine klassische Männerdomäne war. Damit schaffen sie ein Vorbild für andere Frauen und eine starke Motivation, diesem Beispiel nachzueifern.

 

positionen: Was müsste die Politik tun, damit mehr Frauen es in Deutschland in „Leuchtturmpositionen“ schaffen?


Kathrin Menges: Die Politik muss dringend für eine flächendeckende Kinderbetreuung sorgen, nicht nur durch Kitaangebote, sondern auch durch Ganztagsschulen. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Kinder in die Schule kommen, stellt sich für viele in Vollzeit berufstätige Mütter häufig wieder das Problem der Nachmittagsbetreuung. Hier gibt es noch keine ausreichenden Angebote. Andere Länder bzw. Regionen wie Frankreich oder Osteuropa sind hier viel weiter. Mit den Managerinnen dort besteht gar kein Diskussionsbedarf mehr zum Thema Kinderbetreuung, während es im Gespräch mit deutschen Managerinnen eines der ersten Themen ist, das angesprochen wird. Hier muss sich sowohl politisch als auch gesellschaftlich in Deutschland noch viel tun.

 

positionen: Frau Menges, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

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Kathrin Menges
Als Quereinsteigerin startete die gebürtige Brandenburgerin Kathrin Menges 1990 ihre Karriere bei der Bankgesellschaft Berlin. Wenige Jahre nach ihrem Eintritt wurde die heute 47-Jährige dort Abteilungsdirektorin Personal. Nach neun Jahren in Berlin wechselte sie zu Henkel. Zuerst war sie für Schwarzkopf in Hamburg tätig. 2005 ging sie in die Zentrale nach Düsseldorf und arbeitete sich im Bereich Personal weiter nach oben. Vier Jahre später stieg Kathrin Menges zur Personalchefin auf. In dieser Position war sie zwei Jahre erfolgreich tätig, bis Konzernchef Kasper Rorsted sie in das Top-Führungsgremium holte. Kein Wunder, betont er doch immer wieder, wie wichtig es im globalen Wettbewerb ist, die richtigen Mitarbeiter an Bord zu haben. Nun ist es an Menges, diesen Kampf um Talente zu gewinnen.