Mehr Konzerne, weniger Frauen: Die Dax-Erweiterung macht die Chefetagen nicht vielfältiger
Der Leitindex umfasst nun 40 statt 30 Unternehmen. Nur wenige der Aufsteiger vermitteln in ihrem Management ein modernes Bild der Zusammensetzung.
Der Dax wächst: Deutschlands wichtigstes Börsenbarometer hat seit Anfang September 40 statt bisher 30 Konzerne. Zur Verbreiterung um ein Drittel ist die Eintrittshürde gleich noch mit angehoben worden. Unter den Dax-Neulingen sind unter anderem Airbus, Zalando, Porsche, Puma, Hellofresh und Sartorius.
Doch hat sich mit dem Revirement im Leitindex auch die Vielfalt in den Führungsetagen der Konzerne geändert, ja verbessert? Wunsch und Wirklichkeit sind auch bei diesem Thema größtenteils wieder zwei verschiedene Paar Schuhe. Ein genauerer Blick in die Schaltzentralen der neuen Dax-Mitglieder ergibt nämlich am Ende ein sehr ähnliches Bild wie bisher: m/w/d: männlich, weiß und immer noch sehr deutsch. Man könnte noch ergänzen: zumeist auch noch „alt“.
Da wirkt es schon fast wie eine Erfrischungskur, dass mit Hellofresh und Zalando wenigstens zwei der neuen Dax-Mitglieder von U40-Vorständen gegründet wurden und geführt werden. Macht zwei aus 40. Ein Quantensprung – Achtung Ironie!
Alle anderen neuen Mitglieder zeigen letztlich das gleiche Führungsbild wie die bisherigen Teilnehmer auch. Das belegen die Recherchen zu unserem neuen Dax-Report 2021 und der Dax-Verbreiterung. In zwei Wörtern ausgedrückt: Bonjour tristesse! Oder anders gesagt: jede Menge solider Branchen und Unternehmen solider Führung. Aber nicht gerade disruptiv.
Mehr Tech? Mehr Software? Fehlanzeige. Mehr jüngere Vorstände? Mehr Frauen? Mehr Ausländer? Verjüngung: nicht wirklich. Die Vorstände im neuen Dax sind gut 53 Jahre alt. Seit 2005 hat sich das Durchschnittsalter der Dax-Vorstände kaum verändert. Und auch das Durchschnittsalter der Vorstände bei ihrer Berufung steigt seit 2014 sogar kontinuierlich an und liegt aktuell bei knapp 49 Jahren.
Der Anteil der Frauen im Vorstand fällt sogar. In Zahlen: von rund 19 auf 17,6 Prozent. Die Perspektive für Frauen ist also nicht berauschend. Das liegt schlicht am geringen Frauenanteil im General Management, aus dem immer noch die meisten Vorstände kommen.
Immerhin: Zwei positive Entwicklungen gibt es. Die Dax-Vorstandsgremien sind etwas internationaler geworden. Durch die Dax-Aufsteiger steigt der Anteil der Mitglieder mit ausländischem Pass von 33 auf 36 Prozent. Und: Insbesondere Industriezweige wie die Energie- oder Technologiewirtschaft, die vom Wandel am meisten betroffen sind, bilden Diversität ab. So sind die Vorstandsgremien in den Konzernen dieser Branchen durchschnittlich fünf Jahre jünger, internationaler und haben mehr branchenfremde Kollegen.
Bleibt zu hoffen, dass die angestammte Garde des Dax von einigen der neuen Mitglieder in Schwung gebracht wird. Das würde nicht nur den Börsenkurs beflügeln, sondern auch viele Jungunternehmer dazu inspirieren, die Extrameile bis zum Börsengang zu gehen und damit dafür zu sorgen, dass wir auch in Zukunft nicht nur dichten und denken, sondern auch monetarisieren können.
Klaus Hansen ist Partner der Personalberatung Odgers Berndtson und leitet die Practices „Board & Chair“ sowie „CEO“ in Deutschland. Für das Handelsblatt schreibt er über aktuelle Themen rund um Topmanager, Führung und Karriere.