
30 Jun 2015
„Die emotionale Komponente einer Immobilie hat enorm an Bedeutung gewonnen“
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Vom Großraum- über das Einzelbüro bis hin zum Arbeitsplatz, der alles sein kann: Insel für konzentriertes Arbeiten, Andockstation zwischen Geschäftsreisen und kreativer Treffpunkt für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team. Herausforderungen, die Florian Reiff, Deutschlandchef des Immobilienentwicklers Tishman Speyer, für seine Kunden lösen muss. Eines der jüngsten Projekte von Tishman Speyer ist der Anfang 2014 fertiggestellte TaunusTurm in Frankfurt, der berufliches, privates und öffentliches Leben bunt miteinander mischt. Ein Gespräch über die stetig wechselnden Bedürfnisse der Unternehmen als Mieter und über die Frage, ob ein Büro im Zeitalter des digitalen Arbeitens überhaupt noch zeitgemäß ist.
Mit Florian Reiff sprach Christine Kuhl.
Fotos von Frank Blümler und Tishman Speyer
positionen: Herr Reiff, wir sind hier im TaunusTurm und hier sieht es aus wie in einem Einrichtungshaus, das sich auf Bürolösungen spezialisiert hat. Können Sie uns das erklären?
Florian Reiff: Das hier ist unser Model Office. Hier bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, neue Einrichtungskonzepte für Büros zu testen. Mietinteressenten können beispielsweise hier auch einmal zur Probe arbeiten und finden so heraus, welche Möblierung und Flächenaufteilung sie für ihre Büroräume passend finden oder mit welchen Stoffen bzw. Teppichen sie diese ausstatten wollen. Wie Sie sehen, haben wir hier ganz unterschiedliche Möblierungsvarianten für Arbeitssituationen: individuelle Arbeitsplätze, große Tische für Besprechungen und Teamarbeit, aber auch unkonventionellere Lösungen mit sofaähnlichen Sitzmöglichkeiten. Heutzutage müssen Immobilien mindestens genauso flexibel sein wie die Menschen, die in ihnen arbeiten: An einem Tag wollen sie in Ruhe allein und abgeschirmt von störenden Geräuschen arbeiten, am nächsten Tag treffen sie sich mit ihren Kollegen in einer offenen, teamorientierten Umgebung, um beispielsweise gemeinsam einen Deal weiter voranzubringen.
positionen: Braucht ein Mitarbeiter überhaupt noch sein eigenes Büro? Wird es durch die Digitalisierung nicht langsam obsolet, da er praktisch überall arbeiten kann?
Florian Reiff: Gerade heute braucht ein Mitarbeiter das Büro als festen Ort der Kommunikation, als Gegenpol zum virtuellen sozialen Netzwerk. Das Büro bietet ihm in einer Welt, die immer digitaler wird, einen wichtigen Halt. Dort trifft er seine Kollegen, kommuniziert „Face to Face“, tauscht sich formell und informell aus. Wir brauchen den Austausch mit anderen Menschen, um uns zu entwickeln. Deswegen hat die emotionale Komponente einer Immobilie enorm an Bedeutung gewonnen. Für das Unternehmen trägt die Immobilie, als Ort der Kommunikation und des vertrauensvollen Austausches, zur Markenbildung bei. Das Erleben und aktive Einbinden des Mitarbeiters in die Arbeitsumgebung spiegeln das Markenleitbild des Unternehmens wider und beeinflussen damit die persönliche Leistungsfähigkeit und Kreativität des Mitarbeiters.
positionen: Tishman Speyer ist seit fast 40 Jahren im Bereich der Entwicklung und des Managements moderner Büroimmobilien tätig. Welche Trends und Veränderungen beobachten Sie bei gewerblich genutzten Immobilien?
Florian Reiff: Die Bedürfnisse der Nutzer haben sich über die vergangenen Jahrzehnte stark verändert. In den 1970er-Jahren lag der Fokus darauf, möglichst viele Menschen auf einer Fläche unterzubringen. Das war die Zeit der Großraumbüros. Ab den 1990er-Jahren prägte der Technologiefortschritt stark die Gestaltung des Arbeitsplatzes, der zunehmend auf die Tätigkeit am Computer zugeschnitten wurde. Langsam setzte sich auch die Idee durch, den Mitarbeitern für die Mittagspause jenseits der Kantine andere Angebote wie firmeneigene Fitnessstudios zu machen. Heute steht die menschliche Komponente im Vordergrund: Wie kann ich das Humankapital am besten einsetzen, aber auch für mein Unternehmen gewinnen? Die Attraktivität einer Immobilie spielt bei der Akquise von Mitarbeitern eine große Rolle
positionen: Was hat sich auf der baulichen Seite getan?
Florian Reiff: Sehr viel. Die Entwicklungszyklen gewerblicher Immobilien sind deutlich kürzer geworden. Nicht zuletzt weil sich die Haustechnik schneller ändert. Einige Frankfurter Bürogebäude, die älter als 20 Jahre sind, arbeiten beispielsweise noch mit Umluft- oder Induktionskühlgeräten. Heute sind Hochleistungs-Hybridheiz- und -kühldecken zeitgemäß. Oder schauen Sie sich hier im TaunusTurm um. Sehen Sie hier auf der Etage noch Stützen, die die Nutzungsoptionen der Fläche einschränken? Die gibt es hier nicht mehr. Der TaunusTurm ist in Frankfurt derzeit das Hochhaus, das mit seinem Grundriss die größte Fläche pro Geschoss bietet – stützenfrei. Heute sind in Gewerbeimmobilien aus den 1970er-Jahren häufig Stützen in der Fläche der Grund, wieso ein Gebäude nicht mehr richtig nutzbar ist. Der typische deutsche Grundriss mit einem Mittelflur und Zellenbüros auf der linken und rechten Seite ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
positionen: Wie lange haben Sie an der Grundrissplanung für den TaunusTurm getüftelt?
Florian Reiff: Ziemlich lange. Wir haben über 100 verschiedene Versionen des Gebäudekerns ausprobiert und immer wieder verworfen. Dabei haben wir uns Fragen gestellt wie etwa: Wohin richten wir die Aufzugsbänke aus oder wo und wie bringen wir mit minimalem Flächenaufwand die Toiletten unter? Auch haben wir das Raumgefühl verbessert, indem wir die vom Brandschutz geforderten Schleusen zwischen Aufzugslobby und Büro anders umgesetzt haben. Wo man früher, wenn man aus dem Aufzug kam, noch durch eine Schleuse mit zwei Türen gehen musste, passiert man im TaunusTurm nur noch eine Tür. Die zweite Tür wird nur im Bedarfsfall sichtbar: Sie schiebt sich automatisch zu, wenn im Haus Feueralarm ausgelöst wird.
positionen: Auch Odgers Berndtson wird mit seinem Büro zum Jahreswechsel in den TaunusTurm ziehen. Gibt es den Trend, wieder zurück in die Stadt zu ziehen?
Florian Reiff: Das ist ein Trend, den wir global beobachten. Nicht nur Unternehmen drängt es mit ihren Büros zurück ins Stadtzentrum, sondern auch die Menschen wollen wieder dort leben, wo sie arbeiten. Sie wollen keine langen Wege mehr zum Arbeitsplatz zurücklegen und wollen in ihrer Freizeit spontan entscheiden können, ob sie abends noch kurzerhand ins Theater gehen oder, statt zu Hause zu kochen, ihr Abendessen in eines der vielen nahe gelegenen Restaurants verlegen. Folglich geht die Entwicklung hin zu gemischt genutzten Immobilien. Die Monokultur, die es früher auch hier in Frankfurt mit dem Bankenviertel gab, ist vorbei.
positionen: Direkt neben dem TaunusTurm ist auch ein Wohnturm entstanden. Welchen Typ von Bewohner sprechen Gebäude dieser Art an?
Florian Reiff: Das ist ganz unterschiedlich, weil der Wohnturm mit seinen Wohnungsgrundrissen sowohl den Single als auch Paare und Familien anspricht. Die Apartments variieren von 25 bis 200 Quadratmeter Grundfläche. Ein junger Mann hat beispielsweise eine Wohnung für sich gemietet und seinen Arbeitskollegen begeistert von der Lage mitten im Bankenviertel erzählt. Kurze Zeit später haben seine Kollegen sich ebenfalls eine Wohnung auf der gleichen Etage gemietet und es ist eine Art Wohngemeinschaft unweit des Arbeitsplatzes der jungen Leute entstanden.
positionen: Besteht auch die Option, die Wohnungen zu kaufen?
Florian Reiff: Nein, die gibt es nicht, weil wir ganz bewusst nicht beides miteinander vermischen wollten: eine Eigentümergemeinschaft im Wohnturm mit dem gewerblich geprägten Büroturm. Doch das hat die Wohnungssuchenden nicht abgeschreckt, ganz im Gegenteil: Der Wohnturm war dank der attraktiven Lage im Zentrum an den grünen Wallanlagen binnen kürzester Zeit vermietet, ohne dass wir aufwendig Vermarktungsunterlagen erstellen mussten.
positionen: Birgt die gemischte Nutzung des TaunusTurms nicht auch ein Sicherheitsrisiko für Ihre Mieter?
Florian Reiff: Das Sicherheitsrisiko minimieren wir, indem wir den Zugang zum Gebäude je nach Nutzer klar trennen. Es gibt separate Zugänge für die Büromitarbeiter, die Bewohner des Wohnturms und für die Besucher des Museums oder des Restaurants. Jeder kommt nur in die Etage, für die er eine Berechtigung hat – entweder mit seiner individuellen Zugangskarte oder mit einer Karte, die ihm an der Rezeption in der Lobby nach entsprechender Anmeldung ausgehändigt wird.
positionen: Inwieweit ist der Büroturm bereits vermietet?
Florian Reiff: Derzeit sind rund 60 Prozent der Fläche vermietet. Wir haben ohne Vorvermietung mit dem Bau begonnen. Heute sind wir, rund ein Jahr nach Fertigstellung, mit dem Vermietungsstand – verbunden mit dem aktuellen Interesse weiterer potenzieller Mieter – sehr zufrieden. Auch wenn es so aussieht, als entstünden rund um den TaunusTurm eine Menge neuer Büroflächen, gibt es derzeit wenige vergleichbare am Markt. Unternehmen erwägen einen Umzug in den TaunusTurm, weil sie durch den effizienten Grundriss Fläche sparen oder diese flexibler nutzen wollen.
positionen: Was geschieht dann mit den Immobilien, aus denen diese Unternehmen ausziehen? Lohnt es sich, die Gebäude für eine weitere Nutzung fit zu machen – beispielsweise durch Umbau oder Revitalisierung?
Florian Reiff: Unsere Erfahrung ist, dass es oft unmöglich oder unwirtschaftlich ist, Bestandsimmobilien umzubauen oder zu revitalisieren. Entscheidend für eine Revitalisierung ist immer, ob die Grundsubstanz der Immobilie, zum Beispiel in Bezug auf die Deckenhöhe und die Stützenstellung, eine Nutzung mit flexiblen und zukunftsfähigen Arbeitsplatzkonzepten zulässt. Sollten diese Faktoren allerdings stimmen, kann eine Revitalisierung und Aufwertung einer Bestandsimmobilie mit modernen Büroraumkonzepten durchaus sinnvoll sein. Ein solches Vorhaben setzen wir gerade um für die Deutsche Telekom in Niederrad. Sollten weder Umbau noch Revitalisierung einer Immobilie für eine fortgesetzte gewerbliche Nutzung infrage kommen, ist die Konversion in eine Wohnnutzung eine prüfenswerte Alternative. Ist das auch keine wirtschaftlich sinnvolle Option, bleibt nur noch der Abriss.
positionen: Tishman Speyer ist in den wichtigsten Metropolen Deutschlands seit Jahren aktiv. Gibt es standortspezifische Trends?
Florian Reiff: Durchaus, das Nutzerverhalten, aber auch die Stadtstrukturen sind sehr verschieden. Von den vier Hauptmetropolen – Berlin, Frankfurt, München, Hamburg – ist Frankfurt führend, was die Mieten angeht. Frankfurt ist die einzige Stadt, in der die urbane Verdichtung durch Hochhäuser im Stadtzentrum erfolgt. Aber auch in den anderen Städten sehen wir Zuzug und Wachstum in den Stadtzentren, die eine Verdichtung erforderlich machen. Hier geht es oft eher um die Revitalisierung oder das Um- nutzen von Bestandsimmobilien, um sie vorzubereiten auf die zukünftigen Anforderungen moderner Unternehmen.
positionen: Herr Reiff, wir danken Ihnen für das Gespräch.