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Wenn die Kollegen fehlen

5 Minuten Lesedauer

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Welche Auswirkungen er jedoch auf die Führungskräfte hat, wird oftmals unterschätzt. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, durch Fachkräftemangel entstehendem Stress- und Leistungsdruck entgegenzuwirken.

Der Fachkräftemangel ist ein präsentes Thema – und wird es vorerst bleiben: Denn die Baby-Boomer-Generation tritt sukzessive ihren Ruhestand an und hinterlässt eine Lücke, die von den geburtenschwächeren Millennials und der Generation Z nur unzureichend gefüllt werden kann.

Dabei dreht sich der Diskurs zumeist um die Herausforderungen, die der Fachkräftemangel für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen bedeutet. Worüber hingegen selten gesprochen wird, sind seine Auswirkungen auf die Führungskräfte, die den Personalmangel und die unbesetzten Stellen schlussendlich verantworten müssen. Denn wenn von drei geplanten Stellen nur eine besetzt ist, bedeutet das in der Regel: Die anfallende Arbeit kann nicht in der gewünschten Zeit erledigt werden und es muss stärker priorisiert werden. Nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen unter immensem Druck, ihre Arbeit zu erledigen, sondern auch die Führungskraft muss permanent priorisieren und rechtfertigen, wenn die Bearbeitung einer Aufgabe länger dauert.

Dass der daraus resultierende Stress real ist, hat Ende vergangenen Jahres eine Untersuchung des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums gezeigt: Demnach

·        erleben 61 % Prozent der Befragten Personalengpässe im direkten Arbeitsumfeld

·        haben 31 % deshalb Sorge, ihre Aufgaben nicht erfüllen zu können

·        sind mehr als die Hälfte (55 %) dadurch regelmäßig gestresst

·        können 58 % in der Konsequenz ihre Aufgaben weniger sorgfältig erledigen

·        müssen 69 % Überstunden und Mehrarbeit leisten

·        übernehmen 71 % zusätzlich Aufgaben außerhalb ihres Tätigkeitsbereichs.

Solche Zahlen sind keineswegs im Sinne der Unternehmen, im Gegenteil: Diese sind vielmehr daran interessiert, die offenen Stellen zu besetzen. Der Fachkräftemangel ist also ein Problem, was in die Führungsebene gehört und dort noch stärker behandelt werden muss. Hier muss die Kenntnis reifen, dass neue Wege und Modelle etabliert werden müssen. Dafür bedarf es manchmal auch eine Veränderung der Kultur, insbesondere im HR-Bereich.

Wie können diese neuen Recruiting-Strategien aussehen und wie kommt man an die richtigen Talente, um offene Stellen zu besetzen?

Die gute Nachricht ist: Es gibt Antworten und Lösungen, wovon wir einige vorstellen möchten.

Umdenken im Recruiting 

Der wohl naheliegendste Ansatz ist, die Personalsuche entsprechend anzupassen. Denn nur, wenn eine genügend hohe Anzahl an Bewerbungen für eine Stelle eingeht, ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, den „perfect match“ zu finden. Sind es nur wenige Bewerbungen, müssen Abstriche gemacht werden. Es empfiehlt sich deshalb, diese bereits zum Beginn des Recruitingprozesses zu machen. Das kann zum Beispiel heißen, zwischen Kann- und Muss-Kriterien zu unterscheiden, also jenen Eigenschaften, die eine potenzielle Besetzung zwingend mitbringen muss, und jenen, die über Schulungen und Weiterbildungen eventuell gemeinsam erarbeitet werden können. Der große Vorteil daran, die Messlatte etwas realistischer anzusetzen: Der Bewerberpool vergrößert sich. Denn zu hohe Anforderungen schrecken immer auch Kandidaten ab. Je größer die Anzahl der Bewerbungen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, eine passende Bewerbung zu finden – wenn nicht für diese offene Stelle, dann vielleicht für eine andere.

Sharing ist Caring

Auch Jobsharing kann eine Lösung sein, um den entstehenden Leistungsdruck zu mindern – dies gilt sowohl für Fach- wie auch für Führungskräfte. Anstatt offene Stellen nur mit einer Person zu besetzen, teilen sich zwei Menschen einen Job. Der Vorteil: Die Aufteilung kann beliebig flexibel gestaltet werden. Denkbar ist zum Beispiel, dass sich ein Mitglieder der Gen Z, dessen Vorstellung von Work-Life-Balance mit der klassischen Karriere und einer 40-Stunden-Woche kollidiert, mit einem jungen Elternteil eine Position teilt. Die Formulierungen sind hier bewusst so Gender-offen gewählt, weil eben genau das die Gen Z ausmacht: Flexibilität, Karrieren und Lebenskonzepte jenseits der klassischen Wege. Allerdings gibt es derzeit für eben diese neuen Wege noch nicht genug passende Arbeitszeitmodelle.

Jobsharing ist durchaus eine Möglichkeit, die sprichwörtlichen zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, indem jene Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt erhalten bleiben, die sich in den klassischen Modellen und Rollen nicht wiederfinden und gleichzeitig anspruchsvolle vakante Positionen zu besetzen.

Dung Hoang Principal

Coworking mit der KI

Ein anderer Weg, die Arbeitsbelastung im Unternehmen zu lindern und dem in vielen Bereichen leergefegten Arbeitsmarkt zu begegnen, sind Automatisierung und Digitalisierung. Dabei ist der Initialaufwand jedoch nicht zu unterschätzen. Denn auch, wenn es Lösungen, Dienstleistungen und selbst KI-Anwendungen von der Stange gibt: Ein schlechter analoger Prozess wird auch durch Digitalisierung nicht besser. Demnach sind Automatisierungslösungen, KI-Anwendungen oder der Weg in die Cloud sicherlich kein Quick Fix – dennoch einer, der sich auch mit Blick auf die langfristige Entwicklung am Arbeitsmarkt lohnt. Denn Arbeitskraft wird weiterhin ein rares und damit verhältnismäßig teures Gut bleiben, das effektiv eingesetzt werden muss und nicht bei repetitiven und eintönigen Aufgaben verschwendet werden darf – denn diese kann eine KI mittlerweile tatsächlich genauso gut oder sogar besser erledigen.


Für Unternehmen heißt das, sich die eigenen Prozesse einmal ganz genau anzuschauen – vom Personalwesen über die Buchhaltung bis hin in die Verwaltung und Produktion. Wo macht Automatisierung Sinn? Welches Einsparpotenzial verbirgt sich hier? Und wie einfach und damit ohne überproportional hohe Investitionen kann eine digitale oder KI-basierte Lösungen implementiert werden, damit sie wirklich zur Effizienzsteigerung und Entlastung der Belegschaft beiträgt? Für solche Änderungen braucht es allerdings das Commitment des gesamten Top Managements.

Fokus auf Mental Health 

Nicht zuletzt zeigt der nachweislich durch den Fachkräftemangel ausgelöste Stress innerhalb der Belegschaft, dass mehr Angebote zur mentalen Gesundheit für Mitarbeitende geschaffen werden müssen. Die Führungsebene muss für die zusätzliche Belastung sensibilisiert werden. Das kann bedeuten, dass auch auf Führungsebene Aufgaben außerhalb des eigenen Tätigkeitsbereichs übernommen werden – als Zeichen des guten Willens und der Kollegialität – denn alle im Unternehmen sitzen schließlich im selben Boot. Vor allem aber ist es wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem Stress, Druck, Sorgen und Ängste ernst genommen werden. Auch Angebote rund um die mentale Gesundheit, Stressbewältigung oder gesunde Ernährung können helfen, die personellen Engpässe mit der bestehenden Belegschaft zu meistern, ohne diese dauerhaft zu überlasten. 

Denn letztendlich zeigt der Fachkräftemangel und der daraus entstehende Druck umso deutlicher, wie wichtig eine adäquate Personalstrategie ist – eine, die nicht nur die passenden Talente ins Unternehmen holt, sondern vor allem dort hält. Und hierfür ist ein Umdenken auf vielen Ebenen notwendig. Denn bei allem technologischen Fortschritt belegen zahlreiche Studien: die Maschine allein kann es ohne den Menschen nicht richten. 

Fazit

Es steht außer Frage, dass der Fachkräftemangel die Industrie weiterhin im Griff haben wird. Für Unternehmen und Führungskräfte bedeutet dies, sich von altbekannten Strategien abzuwenden und neue Wege zu gehen, um ausreichende Arbeitskraft zur Verfügung zu haben. Nur Unternehmen, die dafür bereit sind, werden auch langfristig dem Fachkräftemangel erfolgreich begegnen, ihr Personal halten und eine positive Stimmung haben können.

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