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KI trennt in der Beratung Spreu vom Weizen

8 Minuten Lesedauer

Künstliche Intelligenz verändert die Beratungsbranche. Denn nur, wem es gelingt, KI-gestützte Lösungen strategisch für sich zu nutzen, wird profitieren. Dafür entscheidend: eine zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine

Künstliche Intelligenz ist dieser Tage fast schon omnipräsent. Immer neue Lösungen, Einsatzgebiete und Innovationen auf Basis von KI werden tagtäglich vorgestellt.

Und wer die zahlreichen KI-Lösungen nicht mittlerweile gewinnbringend in seinem (Arbeits)Alltag einsetzt, ist fast schon selbst schuld. Schließlich nimmt die KI auch im Kleinen viele der lästigen Routineaufgaben ab. 

In einer vielzitierten BCG-Studie wurde gezeigt, dass Teams, die Künstliche Intelligenz einsetzen, deutlich besser performen als jene ohne KI. Diese Erkenntnis unterstreicht die potenziellen Vorteile von KI-Lösungen im beruflichen Umfeld.

Dennoch sind die Deutschen nach wie vor skeptisch und in Teilen sogar in Sorge, die KI könnte ihnen den Job streitig machen. Hierzu hat EY erst im Herbst vergangenen Jahres eine interessante Studie veröffentlicht. Demnach ist die Befürchtung eines Jobverlusts durch KI größer, je höher die Position und das Einkommen sind. Unter den Top-Managern ist die Angst vor Jobverlust am höchsten. Fast die Hälfte von ihnen (46 Prozent) fürchtet, dass ihre Fähigkeiten aufgrund technologischer Entwicklungen obsolet werden könnten. Bei Führungskräften auf niedrigeren Ebenen (18 Prozent), Fachkräften (15 Prozent) und ungelernten Angestellten (13 Prozent) sind diese Sorgen weniger stark ausgeprägt. Für die Umfrage wurden 1.555 Arbeitnehmer in Deutschland repräsentativ befragt.

Der Blick auf KI: Eine Frage der Perspektive 

Die Ergebnisse sind insofern interessant, weil es in erster Linie die zahlreichen Routineaufgaben betrifft, die von der KI übernommen werden können. Demnach müssten sich tendenziell eher die ungelernten Angestellten Sorgen um ihre Jobs machen. Dass sich dermaßen viele Top-Manager Sorge um ihre berufliche Zukunft machen, zeigt, dass in puncto KI noch viel Aufklärungsarbeit notwendig ist. Denn in vielen Branchen – insbesondere in der Beratung – können vor allem umfassende KI-Lösungen wie Predictive Analytics oder Data Mining die Leistungen und Angebote noch einmal auf eine ganz neue Eben heben.

Ob man das KI-Glas also als halbvoll oder halbleer betrachtet, ist eine Frage der Perspektive. So betrachtet der Filmproduzent und Gründer von Storybook Studios Dan Maag die Vorstellung der ersten Videoclips von OpenAIs Sora als überaus positiv, anstatt sich Sorgen um das eigene Geschäft zu machen. Gegenüber The Pioneer Tech-Briefing sagt er: „Wir als Kreative können uns alle freuen. Wir haben auf einmal einen riesigen Sandkasten vor uns, mit ganz vielen Schaufeln und Förmchen, von denen wir davor nur träumen konnten.“

KI zunächst ein Mehr an Werkzeugen 

Treffender kann man KI auch für die Beratungsbranche nicht zusammenfassen. Denn in erster Linie sind entsprechende Lösungen genau das: zusätzliche Werkzeuge, die gezielt und sinnstiftend eingesetzt die Beratung verbessern können. Um den Einsatz von KI kommen Beratungen aber auch schon allein aufgrund des Fachkräftemangels kaum noch herum. Hier ist es vor allem die Automatisierung, mit der die KI punkten und eine Vielzahl an wiederkehrenden Aufgaben übernehmen kann. Auch eine Optimierung der Geschäftsabläufe – von der Buchhaltung über das Controlling bis hin zu HR – kann mit dem zielgerichteten Einsatz von KI-Lösungen gelingen. 

Wirklich interessant wird es allerdings erst, wenn Beratungshäuser die KI nutzen, um eine tiefere Spezialisierung zu erreichen, um z. B. noch tiefer in die Daten einzutauchen – Stichwort Data Mining – oder um gemeinsam mit den Kunden verlässliche Zukunftsaussagen treffen zu können (dank Predictive Analytics). Denn hier liegt der eigentliche Mehrwert, warum Unternehmen überhaupt Berater beauftragen: Sie wollen Skills und Fähigkeiten nutzen, die sie inhouse nicht vorhalten können oder wollen. Dafür sind sie bereit, zu investieren, weil auch der Return on Investment für das eigentliche Kerngeschäft sicht- und kalkulierbar ist. 

Vorsicht Blender?

Natürlich birgt der Einsatz von KI für Unternehmen auch die Gefahr, dass sich sogenannte „Bottom Performer“ erst einmal besser präsentieren. Denn gerade generative KI wird jenen Berater:innen mit einer schwächeren Ausgangsbasis nutzen, weil die KI sowohl Quantität als auch Qualität des Outputs erhöhen kann. Langfristig wird es für diese Bottom Performer jedoch deutlich schwieriger – egal, ob wir über Individuen oder ganze Beratungshäuser sprechen. Wer in Zukunft ausschließlich auf einer generischen, oberflächlichen und damit austauschbaren Ebene bleibt, wird bestenfalls in der breiten Masse mitschwimmen, sich aber auf keinen Fall einen USP erarbeiten können, mit dem er oder sie oder eben ein ganzes Haus gegenüber dem Kunden punkten kann. Eine Einschätzung, ob eine KI beispielsweise halluziniert, ist für diese „Bottom Performer“ häufig auch nicht möglich, sie sind den Ergebnissen ausgeliefert.

KI-gestützte Tools müssen immer auch mit Bedacht eingesetzt werden, um ihr volles Potenzial entfalten zu können. Das heißt vor allem für die Beratungshäuser: Es braucht eine Strategie, um den Nutzen der KI zu maximieren und gleichzeitig die Risiken proaktiv zu steuern. Denn auch da sind sich KI-Experten rund um den Globus einig: Gerade in der Beratungsbranche werden sich diejenigen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erarbeiten, die sich die disruptive Kraft der KI strategisch zunutze machen. Diejenigen, die die Auswirkungen der KI ignorieren oder falsch handhaben, riskieren, irrelevant zu werden. 

KI braucht immer die Interaktion mit dem Menschen 

Strategisch zunutze machen heißt in dem Fall auch, ein intelligentes Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln.

Künstliche Intelligenz wird den Beruf des Consultants nicht ersetzen. Sie wird jedoch die Benchmark sowie die Erwartungen an die Qualität der Beratungsleistungen deutlich erhöhen.

Maximilian Contzen Principal

erklärt Maximilian Contzen, Principal bei Odgers Berndtson Germany. 

Zudem darf der aktuelle Durchmarsch der zahlreichen KI-Lösungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass KI im Allgemeinen, aber vor allem in der Beratung durchaus ihre Grenzen hat. Neben den rechtlichen und ethischen Grenzen ist die KI beispielsweise bisher nicht in der Lage, die feinen Nuancen des menschlichen Verhaltens oder der Entscheidungsfindung zu verstehen. Auch Kommunikation und Sprache sind für die KI schwer zu interpretieren, weil es eben nicht ausschließlich auf die Wortabfolge ankommt. Der Großteil menschlicher Interaktion findet nonverbal statt. Und genau deshalb wird der Mensch als Berater oder Beraterin nicht zu ersetzen sein. Die KI kann ihn nur besser machen, indem sie datengestützte Erkenntnisse liefert. Diese so zu verpacken, dass emotional und sozial die richtigen Entscheidungen getroffen werden, ist und bleibt Aufgabe der menschlichen Berater:innen. Und die können anhand einer soliden Datenbasis und mit verlässlichen Zukunftsaussagen dann auch noch deutlich kreativer werden, als es die KI bisher könnte. So entstehen dann wiederum echte Innovationen. 

Es ist jedoch nicht nur die Art der Aufgabe – kreativ oder quantitativ –, die darüber bestimmt, ob KI das Ergebnis der Arbeit verbessert, es ist vor allem die Datenqualität. Und auch hier stehen nach wie vor die Berater:innen in der Pflicht, für eine Datenqualität zu sorgen, die belastbare KI-Ergebnisse liefert. Sind Daten unvollständig oder ungenau, können die Empfehlungen beeinträchtigt werden. Vor allem unvollständige Daten können zu Verzerrungen führen, wenn es den Daten beispielsweise an Diversität mangelt.

Die Verfügbarkeit und Qualität von Daten bleibt der Treibstoff des Fortschritts im Thema KI. Viele Mandaten sind daher an diesem Thema dran, wir diskutieren sehr oft, ob Unternehmen einen Chief Data & AI Officer benötigen oder nicht.

Markus Trost Partner

sagt Markus Trost, Leiter der Technologie Practice bei Odgers Berndtson für D-A-CH,

Kurzum: Die Chancen, die für Beratungshäuser im gezielten Einsatz von KI liegen, sind immens – die Risiken jedoch ebenso. Und hier wird die KI sehr wohl in Zukunft die Spreu vom Weizen trennen – disruptive Veränderungen in der Branche inklusive.

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